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Für alle, die schnell und kompakt einen Überblick haben möchten, worum es eigentlich in der ISO 9001:2015 Qualitätsmanagementsysteme – Anforderungen geht, denen ist dieser Beitrag hier gewidmet.
In diesem Blogartikel wird ein sehr kompakter Blick auf die Inhaltskapitel der ISO 9001:2015 geworfen. Ziel ist es, dass Sie ein überblickhaftes Verständnis davon bekommen, welche Themen von der Norm gefordert werden und auch Impulse bekommen, wie diese Anforderungen in der Praxis umgesetzt und durch welche Dokumente bzw. Informationen nachgewiesen werden können.
Da die Kapitel 4 bis 10 den Zertifizierungsumfang der ISO 9001:2015 bilden, fokussiert sich dieser Beitrag genau auf diese sieben Kapitel.
Kapitel 4: Kontext der Organisation
Wozu und worum geht es in diesem Kapitel?
Es geht um das Verstehen der Umgebung, in der ein Unternehmen agiert, um daraus resultierende Anforderungen zu erkennen und auf Basis dessen adäquate Entscheidungen treffen zu können. Das ist in der Positionierung und Strategie eines Unternehmens natürlich verankert, denn als Unternehmer:in stellt man sich viele Fragen, wie z. B.:
- Was unterscheidet unser Unternehmen von anderen?
- Unter welchen Marktbedingungen müssen wir agieren?
- Wie grenzen wir uns vom Mitbewerb ab?
- Welche Stakeholder gibt es?
- Welche Erwartungen, Wünsche, Forderungen haben die Stakeholder an mein Unternehmen?
- Welche gesetzlichen und behördlichen Anforderungen müssen wir erfüllen, um überhaupt am Markt antreten zu können
- Welches Know-how benötigen wir für unser Produkt/unsere Dienstleistung?
- etc.
Darüber hinaus wird der Rahmen für ein prozessorientiertes QM-System, anhand formeller Anforderungen zur Lenkung und Nachweisbarkeit von Prozessen und Prozessergebnissen, gestaltet.
Was bedeutet das für die Praxis?
- Durchführung einer Standortbestimmung: wer bin ich als Unternehmen und in welchem Umfeld befinde ich mich? Welche externen und internen Faktoren beeinflussen meine Leistung?
- Welche Stakeholder gibt es (intern & extern), welche Interessen haben sie am Unternehmen, wie wichtig ist die Erfüllung der einzelnen Interessen für das Unternehmen
- Festlegen, für welchen Bereich die Anforderungen der ISO 9001 gültig sind („Geltungsbereich“)
- Festlegung definieren, wie QMS-relevante Prozesse im Unternehmen umgesetzt werden und wie deren Ergebnisse überwacht werden
Beispiele für Nachweise: PESTEL-Analyse, SWOT-Analyse, Kontextdiagramme, Listen mit Stakeholdern, Prozesslandschaft, Vorlagen für Prozessdokumentation, Strategiedokumente, Wettbewerbsanalysen, etc.
Kapitel 5: Führung
Wozu und worum geht es in diesem Kapitel?
Ohne Commitment der Führung, wird das beste Managementsystem unwirksam sein. Die Führung (das ist mehr als die oberste Leitung, nämlich am Ende des Tages alle Führungskräfte) braucht ein klares Bekenntnis zum QM-System und hat auch eine Vorbildfunktion inne.
Weiters werden auch Themen, wie die Qualitätspolitik (formeller Rahmen und Bekenntnis des Unternehmens) sowie Klarheit bei Rollen und Verantwortlichkeiten im Unternehmen, behandelt.
Darüber hinaus sind hier auch einige Verantwortlichkeiten der Führung dargestellt. So trägt zum Beispiel die Führung die Rechenschaftspflicht für die Wirksamkeit des QM-Systems.
Was bedeutet das für die Praxis?
- die Führung im Unternehmen soll sich bewusst sein, dass durch ihr Tun, ihre Entscheidungen und ihre Vorbildfunktion das QM-System in seiner Wirkung beeinflusst wird (Förderung oder Behinderung) – es soll gezeigt werden können, wie die explizit Führung ihre Verantwortung wahrnimmt
- eine Qualitätspolitik ist zu erstellen (inhaltliche Forderungen der Norm sind zwingend einzuhalten) und auch intern zu vermitteln – jeder Mitarbeiter sollte wissen, was die Qualitätspolitik für den eigenen Aufgabenbereich bedeutet (damit ist nicht gemeint, dass jeder Mitarbeiter die Q-Politik auswendig aufsagen kann – es geht um Bewusstsein und den eigenen Beitrag); optional kann sie auch extern verfügbar gemacht werden
- Rollen innerhalb der Organisation sind zu definieren, inkl. Aufgaben, Verantwortlichkeiten, Befugnisse (auf inhaltliche Forderung der Norm achten) – diese sind dann auch zuzuweisen und allen Personen verständlich zu machen
Beispiele für Nachweise: Organigramme, Stellenprofile/-beschreibungen, Rollenprofile, Qualitätspolitik, Schulungsnachweise für Q-Politik, Workshops (auch Fotodokumentation), Besprechungsprotokolle, Präsentationen für Meetings, Managementbewertung, Rechtsregister, Legal Compliance Systeme, Kundenzufriedenheitsanalysen/-messungen, etc.
Kapitel 6: Planung
Wozu und worum geht es in diesem Kapitel?
Die gewünschte Qualität im Unternehmen, sei es aufgrund von Kundenanforderungen, gesetzlichen Vorgaben, eigenen Anforderungen, etc. soll geplant werden (also um den selbst definierten Qualitätsstandard auch zu erreichen). Neben der Planung soll auch die zielgerichtete Umsetzung fokussiert werden.
Natürlich ist auch Qualitätsmanagement nicht vor Risiken gefeit. Daher sind auch entsprechende Risikoanalyse durchzuführen. Damit jedoch nicht genug, es geht auch explizit um den Fokus auf Chancen, also welche positiven Möglichkeiten oder Auswirkungen können sich durch die Qualitätstätigkeiten ergeben?
Was bedeutet das für die Praxis?
- die Organisation soll sich darüber im Klaren sein, welche Qualität von ihr, ihren Produkten, ihrer Dienstleistung erwartet wird und durch Planung die Erreichung dieser Qualität ermöglichen
- dabei soll die Chancen- und Risikenanalyse den Bogen vom Kontext des Unternehmens, über die Qualitätspolitik hin bis zur betrieblichen Umsetzung (Geschäftsprozesse) spannen
- um die gewünschte Qualität zu erreichen, sind konkrete Ziele zu definieren
- alle Maßnahmen sind mit folgenden Ausprägungen zu definieren: Inhalt (was), Zeit (wann), Verantwortung (wer), Bericht (wie wird berichtet)
- das QM-System soll auch fortlaufend verbessert werden: jegliche Änderungen am bestehenden QM-System sind geplant durchzuführen (Hinweis: PDCA) und dabei muss die Wirksamkeit des QM-Systems zu jedem Zeitpunkt (auch während der Änderung) gegeben sein
Beispiele für Nachweise: Chancen-/Risikenanalysen, Qualitätsziele, Maßnahmen zur Verbesserung, Produktionspläne, Projektpläne, Geschäftsprozesse, Managementbewertung, Verträge, gesetzliche Vorgaben, Kundenanforderungen, etc.
Kapitel 7: Unterstützung
Wozu und worum geht es in diesem Kapitel?
Es werden alle Rahmenbedingungen behandelt, die die Erbringung der Geschäftstätigkeit sowie auch die Unternehmenssteuerung ermöglichen und unterstüzen.
Was bedeutet das für die Praxis?
- die Organisation muss alle erforderlichen Rahmenbedingungen bestimmen, um die Wertschöpfung (sowie auch die Unternehmenssteuerung) im Unternehmen durchführen zu können. Dabei strukturiert die Norm den Begriff Ressourcen in verschiedene Kategorien, wie z. B. Personen, Infrastruktur, Prozessumgebung, Prüf- und Messmittel, uvm.
- bei den Anforderungen hinsichtlich Kompetenzen und deren Entwicklung kann die Personalabteilung ein Sparring Partner sein (zentrale Frage: welche Kompetenzen werden im Unternehmen an welchen Stellen benötigt, um die Prozesse wie geplant durchzuführen?)
- aufgrund gesetzlicher Anforderungen zum ArbeitnehmerInnenschutz in Österreich, kann hier auf viele Inhalte zurückgegriffen werden (Anm.: es wird zum Teil auf Inhalte verwiesen, die bereits durch den ArbeitnehmerInnenschutz abgedeckt sind – somit muss nicht doppelt gearbeitet werden) – somit haben wir hier auch die Wechselwirkung zwischen Qualitätsmanagement und Arbeitssicherheit
- es ist in der Organisation klar zu regeln, wie dokumentierte Information (Vorgaben und Nachweise) intern erstellt, überprüft, verteilt und aktualisiert wird. Darüber hinaus soll geklärt sein, was zusätzlich von der Organisation (zu der von der Norm geforderten) als dokumentierte Information gesehen wird (Anm.: die geforderte dokumentierte Information „Vorgaben“ sind sehr weit gehalten, für Effektivität braucht es hier Konkretisierung im eigenen Unternehmen, allerdings auch das richtige Maß, dass es nicht zu viel wird.)
Beispiele für Nachweise: Organigramme, Funktionsbeschreibungen, Stellenbeschreibungen, Anforderungsprofile, Qualifikationsübersicht, Qualifikationsmatrix, Personalentwicklungspläne, Liste von Messmitteln, Vorgaben zum Umgang mit Messmitteln, Arbeitsplatzevaluierungen, verschiedene Sicherheitsevaluierungen, Mitarbeitergesprächsprotokolle, Vorgaben zur dokumentierten Information, Schulungsnachweise, Unterweisungen, etc.
Kapitel 8: Betrieb
Wozu und worum geht es in diesem Kapitel?
Oberstes Ziel ist es, dass beim Kunden nur Produkte bzw. Dienstleistungen ankommen, die auch den vereinbarten Anforderungen entsprechen.
So geht die Norm hier nochmal in die Tiefe, greift viele Anforderungen aus anderen Kapiteln auf und formuliert diese nochmal explizit im Kontext Betrieb.
Beispiel: dass es qualitätsrelevante Geschäftsprozesse, inkl. Aufrechterhaltung und Ergebnissicherung geben muss und diese auch nachweisbar sein müssen, wissen wir aus Kapitel 4. Detailanforderungen zu dokumentierter Information finden wir in Kapitel 7. Nun wird hier in Kapitel 8 nochmal explizit formuliert, dass die für die Produktion bzw. Dienstleistungserbringung relevanten Prozesse zu definieren, zu steuern und die Ergebnisse zu sichern sind sowie entsprechende Dokumentation verfügbar sein muss.
In diesem Kapitel wird aber auch klar geregelt, dass es nicht nur um die Abläufe und Tätigkeiten im eigenen Unternehmen geht, sondern auch alle zugekauften Materialien, Teile, Ressourcen, Dienstleistungen, etc., die Einfluss auf die Qualität haben sind entsprechend zu steuern (hier kommen vor allem auch Einkauf mit Lieferantenbewertung oder in anderen Bereichen Wareneingangsüberprüfungen ins Spiel).
Darüber hinaus wird das Thema Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen (das ist im Sinne der Norm genau genommen, alles, dass nicht aufgrund von voll definierten Anforderungen geschieht) mit zahlreichen Anforderungen zur Definition, Prozessen, Lenkung, Prüfung und Freigaben adressiert.
Was bedeutet das für die Praxis?
- Da es hier direkt um die Produktion bzw. Dienstleistungserbringung, also der Wertschöpfung des Unternehmens geht, fordert die Norm, dass alle zugehörigen Abläufe genau geplant, laufend überwacht und bei Abweichungen unverzüglich eingegriffen und diese korrigiert werden.
- Die Kundenanforderungen sowie weitere Anforderungen (z. B. gesetzlich, Stand der Technik, etc.) sind eindeutig festzulegen und in der Umsetzung auch zu berücksichtigen.
- Alle Änderungen an Anforderungen, Prozessen und Vorgaben müssen gesichert in die komplette Umsetzung eingebracht werden, da ausschließlich nur mit den aktuell gültigen Anforderungen gearbeitet werden darf
- eine etwaige Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen ist geplant (Hinweis: PDCA) durchzuführen
- alle externen Ressourcen (z. B. Lieferanten, Leiharbeiter, Zukaufteile, outgesourcte Prozesse, etc.), welche am Betrieb beteiligt sind, sind auch zu bewerten und zu steuern
Beispiele für Nachweise: Produktionsplanung, Bestellungen, Angebote, Verträge, Lastenhefte, Pflichtenhefte, Projektpläne, Arbeitsanweisungen oder Prozesse zur Produktion/Dienstleistungserbringung, Changes, Änderungsmeldungen, Legal Compliance Systeme, Entwicklungsvorgaben, Lieferantenbewertungen, Wareneingangsprüfprotokolle, Abweichungsmeldungen, Liste Sperrlager, Warenausgangskontrollen, etc.
Kapitel 9: Bewertung der Leistung
Wozu und worum geht es in diesem Kapitel?
Die Bewertung der Leistung basiert hier auf drei Strängen:
- einerseits muss die Leistung der Organisation (wie gut wird die Dienstleistung erbracht/wie gut sind die Produkte) laufend überwacht werden, damit ggf. umgehend steuernd eingegriffen werden kann,
- andererseits muss auch das QMS selbst überwacht und bewertet werden, ob es denn seine Leistung erbringt und zur Organisation passt. Das passiert einerseits durch interne Audits und
- auf der anderen Seite durch das sogenannte Management Review oder auch Managementbewertung genannt.
Was bedeutet das für die Praxis?
- Es braucht eine Datenbasis zur Bewertung der Prozesse, Produkte, Dienstleistungen und des QM-Systems selbst,
○ auf welcher valide Aussagen getroffen werden können, ob die jeweilige Leistung der geforderten Qualität entspricht und
○ die eine direkte oder zeitnahe Steuerung bei Abweichungen ermöglicht. - Diese Daten sind nicht nur zu sammeln, sondern auch zu analysieren und zu bewerten – um hier eine faktenbasierte Entscheidungsfindung zu ermöglichen
- Der Eindruck der Kunden ist zu bestimmen und eine Verbesserung davon soll angestrebt werden (Stichwort Kundenzufriedenheit)
- Interne Audits sind die nächste und objektive Überwachungsstufe, zur Bewertung der Leistung von Prozessen, Produkten, Dienstleistungen und dem QM-System selbst. Die Auslegung hängt stark davon ab, welche Herangehensweise für die Organisation passend ist sowie auch vom Reifegrad des QM-Systems.
- Die oberste Leitung muss das QM-System und seine Leistung bewerten (geforderte Inhalte der Norm berücksichtigen) und auf Basis dessen auch Entscheidungen zur Wirksamkeit des QM-System oder etwaigen Änderungen treffen (= Management Review).
Beispiele für Nachweise: Kennzahlen aus verschiedenen Unternehmensbereichen, Dashboards, Risikoanalysen, Prozesskennzahlen, Daten und Berichte vom Controlling, Kundenzufriedenheitsanalysen, Kundenbefragungen, Prüfpläne, Statistiken, Lieferantenbewertungen, Risiko- & Chancenanalysen, Verbesserungslisten, Maßnahmenlisten, Statusberichte, Projektberichte, Auditprogramme, Auditberichte, Auditpläne, Präsentationen zur Managementbewertung, Protokolle zur Managementbewertung, etc.
Kapitel 10: Verbesserung
Wozu und worum geht es in diesem Kapitel?
Auch hier haben wir wieder einen mehrdimensionalen Blick: ein Unternehmen muss einen Fokus auf jegliche fortlaufende Verbesserung, die zur
- Erhöhung der Kundenzufriedenheit und
- Verbesserung des QM-System beiträgt, legen.
Wir verstehen daraus, dass es einerseits natürlich um die Qualität aus dem operativen Tagesgeschäft geht (Produkt-/Dienstleistungsqualität, Prozessqualität), andererseits auch das QM-System selbst zu verbessern ist (z. B. können Vorgaben zur dokumentierten Information anders gestaltet werden, ggf. Einführung eines (anderen) DMS, Optimierung interner Audits, etc.). Die Verbesserung des QM-System selbst wird leider in der Praxis oft vernachlässigt.
Was bedeutet das für die Praxis?
- Die Behandlung von Nichtkonformitäten („Abweichungen“), inklusive Ursachenanalysen und Wirksamkeitsprüfungen sind ein essentieller Bestandteil der fortlaufenden Verbesserung in einem Unternehmen und dieser ist ein sehr hoher Stellenwert beizumessen.
- Nur wenn die richtige(n) Fehlerursache(n) gefunden und behandelt werden sowie eine angemessene Wirksamkeitsprüfung der erfolgten Maßnahmen durchgeführt wird, kann eine Wiederholung desselben Fehlers maximal vermieden werden. (Anm.: man kann in der Praxis sehr viel Zeit, Mühe und Geld verschwenden, wenn man Ursachenanalysen nicht richtig durchführt oder gar nicht durchführt.)
- Hinsichtlich Nichtkonformitäten aber auch Verbesserungen ist der Fokus auf zwei Bereiche zu legen:
- dem Tagesgeschäft, in dem die Prozesse zum Betrieb ablaufen und
- dem QM-System (Struktur, Aufbau, Methoden, etc.) selbst.
- Auch Verbesserungen im Betrieb und QMS sind für einen weiter bestehenden Erfolg sehr wichtig und müssen fokussiert werden.
Beispiele für Nachweise: Vorgaben für Korrektur- und Vorbeugemaßnahmen oder fortlaufender Verbesserung, Ursachenanalysen, Maßnahmenlisten, Verbesserungs- oder Fehlerbehebungsprotokolle, Wirksamkeitsprüfungen, Risiken & Chancen, etc.